Qualzucht bei Hunden – zwischen Tradition, Verantwortung und Tierwohl
Der Hund gilt seit Jahrhunderten als treuester Begleiter des Menschen. Über die Jahre haben sich zahlreiche Hunderassen entwickelt, die sich nicht nur in Größe und Charakter, sondern auch in ihrem äußeren Erscheinungsbild stark unterscheiden. Manche dieser Merkmale sind jedoch so extrem ausgeprägt, dass sie zu erheblichen gesundheitlichen Problemen führen können. In diesem Zusammenhang fällt immer wieder der Begriff Qualzucht.
Was bedeutet Qualzucht?
Im deutschen Tierschutzgesetz (§ 11b) ist festgelegt, dass Tiere nicht gezüchtet werden dürfen, wenn ihnen dadurch Schmerzen, Leiden oder Schäden zugefügt werden. Genau hier setzt die Diskussion um Qualzucht an: Sie beschreibt Zuchtformen, bei denen bestimmte körperliche Merkmale gezielt verstärkt wurden – auch wenn diese die Gesundheit oder das Wohlbefinden der Tiere erheblich beeinträchtigen.
Die Bundestierärztekammer spricht in diesem Zusammenhang von einem „ernsten Problem für das Tierwohl“ und weist darauf hin, dass übertriebene Zuchtziele – wie extrem kurze Schnauzen oder stark gefaltete Haut – häufig Leiden verursachen können.
Beispiele häufig genannter Merkmale
Kurze Schnauzen (Brachycephalie):
Hunde mit stark verkürzter Nase haben in der Regel einen deformierten Schädel, was zu vielfältigen gesundheitlichen Problemen führt. Laut der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz (TVT) leiden sie häufig unter Atemnot, chronischem Schnarchen und Überhitzung, da sie ihre Körpertemperatur nur eingeschränkt über das Hecheln regulieren können. Zudem kommt es oft zu Zahnfehlstellungen aufgrund des zu kleinen Kiefers. Auch die Augen sind betroffen: Sie treten durch den runden, kleinen Schädel weiter hervor, was laut der Deutschen Veterinärmedizinischen Gesellschaft zu erhöhter Anfälligkeit für Reizungen und Verletzungen führt. In extremen Fällen können sie sogar aus der Augenhöhle hervortreten.
Übermäßige Hautfalten:
In tiefen Hautfalten bilden sich feuchte Kammern – ein idealer Nährboden für Bakterien und Pilze. Das führt zu wiederkehrenden Entzündungen, Juckreiz und Schmerzen.
Sehr kurze Beine oder extreme Körperformen:
Einige Rassen haben einen überproportional langen Rücken und dazu extrem kurze Beine. Das führt zu einem erhöhten Risiko für Bandscheibenvorfälle, Lähmungen, Gelenkprobleme und chronische Schmerzen.
Extreme Größen:
Sowohl übermäßig große als auch sehr kleine Hunde haben häufig mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen. Riesige Hunderassen neigen zu Gelenkerkrankungen, Herzproblemen und Magendrehungen – außerdem haben sie oft eine verkürzte Lebenserwartung. Zwergrassen dagegen leiden unter weichen Schädeldecken, neigen zu Knochenbrüchen, Krampfanfällen und Organproblemen. Auch hier ist die Lebenserwartung häufig reduziert.
Natürlich gilt: Nicht jeder Hund einer betroffenen Rasse ist automatisch krank. Innerhalb einer Rasse gibt es große Unterschiede – von weitgehend gesunden Tieren bis hin zu deutlich beeinträchtigten Individuen.
Findet die passende Hunderasse
Erkundigt euch vor dem Kauf genau über die jeweilige Hunderasse. Die wenigsten informieren sich über die Ansprüche oder ursprüngliche Nutzung einer Rasse und noch weniger über ihre Gesundheitlichen Probleme.
Dieses Buch geht auf Erblichkeit von Verhalten und Persönlichkeit ein und zeigen auf, was dies für Zucht, Gesundheit, Erziehung und Training bedeutet.
Auswirkungen auf die Tiere
Viele Tierärztinnen und Tierärzte berichten aus ihrer Praxis, dass bestimmte Zuchtziele zu erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen können. Gleichzeitig erleben viele Halter ihre Hunde als fröhlich, verspielt und lebenslustig. Das macht die Einschätzung oft schwierig: Ob und in welchem Ausmaß ein Hund betroffen ist, lässt sich nicht pauschal beurteilen.
Eine Studie der Tierärztlichen Hochschule Hannover zeigt beispielsweise, dass brachycephale (kurznasige) Hunde deutlich häufiger unter Atemwegserkrankungen leiden als Hunde mit normaler Kopfform – dennoch erreichen manche Tiere ein hohes Alter und wirken aktiv.
Unterschiedliche Perspektiven
Die Diskussion über Qualzucht ist komplex und betrifft viele Akteure:
- Züchter möchten häufig an etablierten Rassestandards festhalten, arbeiten aber zunehmend auch an gesünderen Linien.
- Tierschutzorganisationen wie der Deutsche Tierschutzbund fordern strengere Vorschriften, um das Tierwohl besser zu schützen.
- Halterinnen und Halter wünschen sich einen Hund, der zu ihrem Lebensstil passt – sind sich der gesundheitlichen Risiken bestimmter Zuchtmerkmale jedoch oft nicht voll bewusst.
Erste Initiativen setzen auf die Anpassung von Zuchtzielen, die Öffnung von Zuchtbüchern oder die gezielte Auswahl gesunder Elterntiere, um das Wohl der Hunde langfristig zu verbessern.
Verantwortung und Entscheidung
Wer darüber nachdenkt, einen Hund in die Familie aufzunehmen, steht vor einer wichtigen Entscheidung. Die Nachfrage nach bestimmten Rassen beeinflusst maßgeblich, wie gezüchtet wird. Jede Entscheidung – für oder gegen eine Rasse – sendet ein Signal an Züchter und den Markt.
Fazit
Bevor man sich für einen Hund entscheidet, sollte man sich gründlich über die jeweilige Rasse und ihre Besonderheiten informieren – nicht nur über Wesen und Aussehen, sondern auch über mögliche gesundheitliche Risiken. Dabei ist es wichtig, Probleme nicht kleinzureden, etwa mit Aussagen wie:
„Ich habe darauf geachtet, dass die Schnauze länger ist“ oder „Ich habe den Hund von einem seriösen Züchter gekauft.“
Zuverlässige Informationsquellen sind unter anderem die Bundestierärztekammer, die Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz (TVT) sowie die Heimtierärztekammern der Bundesländer.
Denn am Ende sollte immer das Wohl des Tieres im Mittelpunkt stehen – und eine bewusste Entscheidung kann dazu beitragen, dass Hund und Halter viele glückliche Jahre miteinander verbringen können.